Salzen und Pfeffern ist Würzen für Dummies. Ein polemischer Weckruf für Gewürzmuffel.
Einige tausend solcher Regale haben wir im europäischen Einzelhandel aufgestellt. Bei so viel Aufwand sind ‚Salz und Pfeffer‘ klar zu wenig Gewürz am Essen. Abb.: Fuchs Gruppe.
Wir bestücken täglich tausende Gewürzregale im Einzelhandel mit einer großen Zahl an Gewürzen und halten dafür eine globale Logistik am Laufen, die Millionen kostet. Schlechte und gute Autoren schreiben Jahr für Jahr dutzende Bücher über Gewürze und ihre richtige Verwendung. Und dann das: ‚Abschmecken mit Salz und Pfeffer‘!, so nebenbei, wie ‚Hätte ich fast vergessen‘. Warum sind wir so und was macht das mit unserem Essen?
Salz ‚würzt‘ jede Speise. Im Ernst?
Als unsere Vorfahren noch mit Keulen und Holzspießen ihrem Essen hinterher jagten, dürften sie kaum mehr als die rauchigen Aromen vom Lagerfeuer gehabt haben, die ihr Fleisch nach irgendwas schmecken ließen. Später werden sie die würzenden und heilenden Eigenschaften der zu ihren Füßen wild wachsenden Kräuter wie Beifuß entdeckt haben. Vielleicht so, wie frühe Menschen am Fuße der Westghats von Kerala (Indien) auf wild wachsenden Pfeffer gestoßen sein könnten. Oder die Vorfahren der Azteken auf wilden Chili in Mittelamerika, sollte es schon besiedelt gewesen sein, was ich nicht weiß.
Salz in isolierter, kristalliner Form ist noch unbekannt. Erst in der Eisenzeit oder – wahrscheinlicher – der Bronzezeit kann der Mensch Werkzeuge herstellen, mit denen sich Salz (Steinsalz) aus dem Berg gewinnen lässt. Das ist ungefähr 4000 Jahre her. Im Mittelalter beginnt Salz, ganze Regionen wirtschaftlich zu prägen. Es wird für einige Zeit zu einer Art Währung (‚Sal‘ -> ‚Salär‘), dem ‚Weißen Gold‘, und, als es dank industrieller Gewinnung erschwinglich wird, nach und nach als ‚Speisesalz‘ zu der Kochzutat schlechthin. Erst das ‚Salz in der Suppe‘ machte fortan den Geschmack. Das mag stimmen, aber es ist eben nur eine von fünf Geschmacksnoten, die der moderne Mensch wahrnehmen kann. Insofern ergibt ‚Abschmecken mit Salz und Pfeffer‘ irgendwie Sinn.
Salz und Pfeffer dienen ursprünglich gar nicht als 'Gewürze'
Naturbelassenes, z.B. in Wasser oder Pflanzen gelöstes Salz ist für Mensch und Tier immer schon zunächst von physiologischer Bedeutung als Elektrolyt und Lieferant lebenswichtiger Mineralien wie Eisen, Kalium, Kalzium und Magnesium. Und das auch schon, als man es noch nicht aus dem Salzsäckel nehmen und aufs Essen streuen kann. Hier sehe ich eine Parallele zum Pfeffer, der Heilpflanze ist, lange bevor er Gewürz wird.
Seit dem Mittelalter dient Salz vor allem zur Haltbarmachung von Lebensmitteln. Ich glaube, hierher rührt in der Folge auch unsere Sucht nach gesalzenem Essen. Der Geschmack von gepökeltem Fleisch oder von in Salzlake konserviertem Gemüse programmiert unsere Rezeptoren um und wird zur Referenz für ‚herzhaft‘ oder ‚fade‘. Salzig ist das neue Lecker. Nur gut gesalzen ist richtig gewürzt. Beim letzten Abschmecken fehlt auch heute in unserer Küche meistens nur noch die ‚Prise Salz‘, jedoch nie die ‚Prise Muskat‘ oder die ‚Prise Piment‘. Obwohl letztere genauso leicht verfügbar sind. Das mag ich als Gewürzkaufmann beklagen. Ein kurzer Blick auf Salz und Pfeffer unter sensorischem bzw. ernährungsphysiologischem Aspekt kann aber Erklärungen liefern.
Geschmacksträger oder Geschmacksverstärker oder Gewürz - was denn nun?
Salz als Gewürz habe ich weiter oben schon abgeräumt. Aber was ist es dann – Geschmacksträger oder Geschmacksverstärker? Ganz klar Letzteres. Es sensibilisiert die Geschmacksrezeptoren im Mund und regt den Speichelfluss an. Das ist die Rolle von Salz im Essen – es optimiert die Resorption der anderen Aromaträger direkt im Mund. Natürlich nur, wenn welche da sind, sonst schmeckt es eben nur salzig. Die Kombination von Salz mit Pfeffer ist da nur ein Schritt in Richtung eines ‚runden‘ Geschmackserlebnisses. Leute, traut euch! Knoblauch, Kräuter, Paprika und Chili, selbst Muskat, Nelke und Zimt sind – geschickt dosiert – immer gut für den finalen Kick selbst bei Standardgerichten.
Herausforderung Fleisch. Vielleicht liege ich falsch, aber Salz und Pfeffer ans Fleisch und dann in die Pfanne oder den Ofen? Was soll das werden? Das Salz entzieht dem Fleisch den Saft und der Pfeffer wird beim Braten bitter. In jedem Fall ist die geschmackliche Wirkung bestenfalls eine oberflächliche. Ich kenne inzwischen einige Wege, Geschmack ins Fleisch zu bekommen. Gewürze draufstreuen ist der am wenigsten Erfolg versprechende. Ausnahme: Rouladen. Sie werden von innen gewürzt, so dass die aromagebenden Substanzen beim Schmoren von innen nach außen durch das Fleisch migrieren. So ähnlich funktioniert es bei der Weihnachtsgans – sie wird von außen gesalzen, damit sie knusprig wird, und von innen aromatisch gefüllt und gewürzt, damit sie Geschmack bekommt.
Saucen, Dips, Kräuterbutter oder frisch gemahlener Pfeffer aus der großen Pfeffermühle (auf das fertig gebratene Fleisch!) führen bei allen anderen, besonders kurzgebratenen Fleischgerichten, eindeutig zu besseren Ergebnissen. Oder – ‚Geheimtipp‘ – das zuvor mit Gewürzen aromatisierte Bratfett. Macht’s halt wie die Inder! Bei denen geht nichts ohne thermische Vorbehandlung der Gewürze mit anschließender Verwendung in reichlich Fett.
Tipp Auf gewürz-für.de habe ich ein paar Gedanken zum Thema ‚Marinieren und Marinaden‚ aufgeschrieben. Hier geht es u.a. um Trockenmarinaden (Rubs), die einzig wirksame Art, Fleisch mit einem Streugewürz von außen zu aromatisieren. In dem Zusammenhang spielt Sous-vide als passende Zubereitungsart eine Rolle.
Salzen und Pfeffern sind zu wenig, denn es geht mehr mit Gewürzen.
Weiterführende Links:
Wo der Pfeffer wächst. Die Herkunft des Pfeffers. Eine Übersicht.
Pfeffer ist das Hauptgewürz in vielen Küchen der Welt. Je nach Ursprung und Qualität kann er eine breite Palette von Aromen beisteuern. Neben seiner aromagebenden Rolle im Essen tut er auch unserem Organismus gut, denn er wirkt u.a. magenanregend und verdauungsfördernd. Er macht das Essen bekömmlicher. Sein Scharfstoff Piperin ist ein Bioenhancer, der die Biowirksamkeit anderer Substanzen im Organismus verstärken kann. Zum Beispiel die des hochwirksamen Curcumin aus der Kurkuma. Kurz, er ist meistens eine gute Wahl und verlangt eigentlich nach Kräutern und Gewürzen, mit denen er gut harmoniert – Knoblauch, Kümmel, Thymian, Nelke u.a.m. So kombiniert, könnte man Salz in manchem Gericht auch mal auf eine rein dekorative Funktion reduzieren.